Gedichte
Neue Gedichte
Der Glärnisch
Der verschneite Glärnisch
steigt aus dem Grau der Nach,
gross und mächtig.
Über dem Horizont
grüsst er im milchigen Weiss,
ein grosser Bote des
strahlend blauen Tages.
Erst noch hatte er sich
am Abend
mit einem rosaroten Gruss
verabschiedet.
Wie kurz doch die Tage
sind
wie schnell sie wechseln.
Immer schneller, dünkt ihn,
Wie auch die Jahre, die dahin schmelzen.
Als-ob
Ich kenne dich,
ich weiss, dass du jetzt spielst,
leidenschaftlich,
die Karten büschelst
und die Striche auf der
Tafel zählst.
Ich lese und halte mich auf
im Als-ob eines Dichters.
Das Buch ist spannend,
doch stelle ich mir vor,
wie schön es wäre,
wenn du wie ich den Genfersee
im Schimmer des Tages sähest.
Wir erfänden,
was eine Geschichte ergäbe.
Stille
Das Geräusch
der Masse,
die plaudert und lärmt,
ist weg.
Ruhe herrscht
am Berg.
Die Stille kehrt zurück.
Geräuschlos versinkt
die Sonne
in den feurigen Flammen.
Von weit her
ein paar Kuhglocken.
Morgen
Rötlich und ockerfarben
übergiesst sie
die Bergspitzen,
die Göttin des Lichts.
Kündigt sich an
in sanft
wechselnden Farben.
Noch im Nachtgrau
die Täler beginnen
die Hügel
zu grünen, zu leuchten.
Wind
Das flackernde Tuch
mit dem weissen Kreuz
winkt den Gästen,
zuhauf.
Zwischen dir
eine Mauer
kein Glas, das prostet.
Geduld
Warten beflügelt
die Erwartung.
Ohne
Erwartung ist
Warten
wie Dunst,
der die Berge verhüllt.
Altersfrühling
Vom kahlen Baum
rieseln die Blätter.
Im Frühling
spriessen die Knospen,
blühen und duften.
Wieder flattern die Blätter
im Wind.
Und die Liebe
wie lange saftet sie noch?
Der tote Kirschbaum
Der Stamm zersägt,
die Äste viergeteilt,
die Zweige dürr,
verdorrt und ohne Saft,
ein Haufen Elend nur,
der jetzt am Boden liegt.
Ich liebte ihn,
als er so prächtig blühte,
die Vögel
in ihm Kirschen naschten,
der Raureif ihn verzauberte.
Nun liegt er da
und bleibt mein Freund.
Ein Lächeln
Wie heiter wurde der Tag,
als mich ein Lächeln
unter den Arkaden
streifte,
im Tagebuch Widerhall fand.
Es ist wieder da,
das flüchtige Lächeln von einst
auf ihrem Gesicht.
Gerne
wüsste ich, wer es mir schenkte.
Träne der Erinnerung
Du siehst Schicksale,
hörst, was Menschen erzählen,
du selber erfahren.
Eine Träne entringt sich
dem Auge.
Sie rinnt über die Wange,
sie fällt
zu den Erinnerungen,
die geblieben sind
im langen Leben.
Sie lauern.
Geschieht dir bald auch,
was deinen Lieben geschah?
Barfuss
Kommt der Mensch
Auf die Welt,
barfuss geht er von hinnen.
Meist steht er
In den Schuhen, oft
auch daneben.
Immer aber
auf den Füssen.
Barfuss als Knabe
Den Sommer über barfuss.
Im braunen Acker
die Füsse,
im hohen Gras und im Farn
die nackten Beine.
Mit Lust in den warmen
Kuhfladen getreten.
Erinnerung
Er lächelt,
der bunte Fisch aus Keramik,
mit den gelben Flossen und den
rollenden Augen, und schweigt.
Ewig lächelt der Fisch, den der Künstler
in Sizilien geformt,
während mein Lächeln nur das
einer Erinnerung ist
an jenen Moment,
wo er mir geschenkt im
leisen Wind unter den Pinien,
als das Meer meinen Dank
in der rauschenden Nacht
verschluckte.
Ewig lächelt der Fisch,
während die Erinnerung,
wie verflogen, kurz aufflammt
und ein Schmunzeln leuchtet.
Staunen
Fest des Lebens.
Diese Erde, diese Landschaft
und dieser Mensch,
dessen Augen blühen!
Gehen
Du lebst noch,
gehe langsam und
vorsichtig!
Ergreife den Handlauf!
Lasse die Füsse
denken,
wenn du gehst,
nicht den Kopf,
der noch eilen will!
Schau zu, dass du auf
den Füssen stehst!
Im Dunst
Im Dunst verschwinden
die Berge
wie die Liebe,
wenn du fort bist.
Nein, sie ist da,
mächtig und stark,
verborgen,
hinter einem
seidenen Tuch.
Entschwunden
Die Liebe steigt
in den Fluss.
Er reisst sie mit,
trägt sie ins weite
Meer.
Nun sitzt er bei einer
Tasse Kaffee und knabbert
an einem Gipfel.
Der alte Mann
Sie war sein Weib,
war seine Frau
und seine Muse.
Jung war sie
seine Königin.
Nun geht er an Stöcken.
Im Wind
Wo der Falke haust,
bist du zu Hause.
Wo du um Worte ringst,
hast du dein Dach,
als wär’ es ein Turm.
Wo um die Ecke
die Eule nistet,
hört sie deinen Ruf:
«Wind, Wind! Hilf mir:
Ich stehe im Wind».
Hymnus aufs Leben
Tief empfundene Ruhe,
innerer Frieden.
Diese Erde, diese Landschaft,
der Leib,
in dem der Atem west,
als wäre er
ein Geist,
der den anderen sucht,
sich ihm vermählt,
ihn belebt.
Grosser Weltgeist!
Wache über die Ruhe
der Menschen,
die sich lieben!
Gib ihnen die Seligkeit,
dass der eine Engel
den anderen
in Sorge begleitet.
Fruchtbar
das Band, dass sie umschlingt.
Gross der Jubel,
sich zu gestehen,
dass es gut ist zu leben.