Kritisch-süffige Stammtischgespräche aus Wolkenkuckucksheim
Es gibt sie noch, die Beizen-Stammtische, wo hierzulande Politik gemacht, freie Meinungen geäussert und lebhaft gestritten, diskutiert und auch polemisiert wird.
Der Zuger Autor Andres Iten, ehemaliger Regierungs- und Ständerat, hat den Stammtisch in der Wirtschaft zur Metzgeren im «direktdemokratischen Flecken eines Ortes der Inneren Lande» angesiedelt. Hier lässt er seine Protagonisten agieren und glossiert politische Halbgötter, gestrauchelte Banker und den politischen Chef der Schweizer Armee, sinniert über die Medienlandschaften, Edelhuren und Schönheitsoperationen, die geplante neue Schweizerhymne und Verrichtungsboxen.
Im Mittelpunkt fungieren der ehemalige Gymnasiallehrer Bernhard Stripper und sein Jugendfreund, Rechtsanwalt Dr. Johannes Kreis. Sie treffen sich regelmässig zweimal wöchentlich in besagter Beiz um das Geschehen in der grossen und kleinen Welt zu bereden. Zu ihnen gesellen sich weitere Dorfgrössen, die zu meinen wissen, wie die Welt und das Dorf zu funktionieren haben. Es sind ein umtriebiger Baumeister, ein ehemaliger Bauer und Kantonsrat, ein Dichter, ein Alteisenhändler und die währschafte Wirtin, die als stille Beobachterin meistens im Hintergrund bleibt. Wenn die Wogen der Meinungen hochgehen, bringt Rechtsanwalt Kreis gerne Parallelen aus der griechischen Mythologie ins Spiel. Diese sollen beweisen, dass sich seit der Antike auf der Ebene der Politik und auch anderswo gar nicht so viel geändert hat und damalige Streitpunkte auch heute noch aktuell sind. So wird immer noch gelegentlich Sisyphusarbeit geleistet oder Tantalusqualen erlitten, lockende Sirenen versprechen schnelles Geld und das hölzerne Pferd von Troja wird zur Metapher für die Einwanderungsinitiative.
Auf ironisch-satirische Weise werden helvetische Politik, dörflicher Alltag, Klatsch und utopische Mutmassungen auf die Schippe genommen und mit den treffenden Abstechern in die griechische Mythologie etwas abgehoben. Das Wolkenkuckucksheim aus einer griechischen Komödie wird mit der heutigen Schweiz in Verbindung gebracht …
Eine erheiternde, pointiert formulierte Lektüre für humorvolle Zeitgenossen mit offenem Horizont und toleranten Ansichten, selbstironisch und mit einigen Seitenhieben auf politische Kontrahenten gespickt. Freche, treffende schwarz/weiss Illustrationen von André Poloczek.
Vor und nach den Wahlen zur genüsslichen Lektüre empfohlen!
Margrit Lustenberger
Publiziert in: Surseer Woche, Trienger Woche und Sempacher Woche, 15. Oktober 2015